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Törnberichte

Schottland

Under sail in the Land of Single Malts

Die Westküste Schottlands und die südlichen Whisky-Inseln offenbaren sich als besonders schönes Segelgebiet mit vielen vorgelagerten Inseln, idyllischen Buchten und Ankerplätzen sowie mystischen Highlands. Klangvolle Inseln wie die Isles of Cumbrae, Bute, Arran, Gigha, und „Lochs“ wie Loch Fyne und Crinan Loch liegen in diesem Segelrevier. Und welcher Single Malt Whisky Liebhaber kennt sie nicht: die bekannte Insel Islay mit Port Ellen, den Destillerien Laphroaig, Lagavulin, Ardbeg, Bowmore, Coal Ila, ... und den Zungenbrechern Bruichladdich und Bunnahabhain.

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Largs Marina im Abendlicht und bei Ebbe

Es muss nach dem dritten oder vierten „Slainte“ in einer dieser lauen Karibiknächte passiert sein als ich mit meinem Segelkameraden Andreas zur tiefen Erkenntnis gelangte, dass der Lagavulin in der feucht-kühlen, wilden und rauen Umgebung der Hebriden sein Aroma noch besser entfalten könnte.

Die Idee war geboren - seit bald 10 Jahren begleitet mich alljährlich eine segel- und whiskybegeisterte Crew in die Heimat der Single Malts.

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Von Largs zum Crinan Kanal

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Der Ausgangspunkt für den Segeltörn ist jeweils Largs. Diese kleine Touristenstadt liegt am Firth of Clyde, an der Westküste von Schottland, entfernt nur durch eine ca. 40-minütige Fahrt von Glasgows Flughafen. Der Largs Yacht Haven gilt als eine der besten Marinas von Schottland und verfügt über alle Einrichtungen, die das Seglerherz begehren. Nach dem Yacht- und Revierbriefing, der Übernahme des Bootes und dem sogenannten Bunkern, - darunter versteht man das Beladen des Schiffskörpers mit allerlei fester, aber mehr noch flüssiger Nahrung - , heisst es gegen Abend Leinen los. Wir verlassen die Marina, setzen Segel und peilen als ersten Ankerplatz eine geschützte Bucht im Norden der Insel Arran an. Der Wind steht günstig und weht mit einer leichten Abenbrise aus NNW. Der Bute Sound zeigt sich von seiner angenehmsten Seite. Ein unglaublicher Abendhimmel öffnet sich über uns, dieses einmalige und klare Licht, das auf die runden und vom Eis abgeschliffenen Berge und auf die türkisfarbenen Fjorde fällt. Saftige Grüntöne verwandeln sich langsam ins Purpurrot und Violett. Beseelt von diesen ersten Eindrücken machen wir nach nicht einmal vier Stunden an einer der Festmachertonnen vor der Ruine des ehemaligen Schlosses – Lochranza Castle – fest. Als Ankertrunk genehmigen wir uns nach hartem Einsatz einen ersten Single Malt. Die letzten Bissen des schmackhaften Risotto ai funghi haben gerade die Magengegend erreicht, da tönt es: „Wisst ihr eigentlich wie spät es ist?“ Ja, ja, widerfährt es mir, „nur keine bange, auch hier wird es für kurze Zeit ein bisschen dunkel.“ Nach Mitternacht beschliessen wir den Tag stilecht mit einem „Arran“ und verkriechen uns in die warmen Kojen.

Der folgende Tag beginnt leicht neblig und feucht, jedoch ohne Regen aber zu unserem Jammer windstill. Also legen wir nach einem reichhaltigen „real English breakfast“, - schliessslich steht uns ein fast 10-stündiger „Arbeitstag“ bevor, unter Motor ab und machen uns Richtung Norden nach Ardrishaig auf den Weg. Bereits nach zwei Stunden putzt die aufkommende Sonne die letzten Nebelschwaden weg und kurz vor der Einfahrt zum Crinan Canal tut sich wieder dieser beeindruckende tiefblaue Himmel über uns auf. In den folgenden Stunden wird die Crew mit einer überwältigenden Landschaftsszenerie überrascht. Diese zieht allerdings nicht ganz gratis an einem vorbei, - sie muss vielmehr durch harte Arbeit besänftigt werden. Dieser 15 km lange und mit ebenso vielen Schleusen versehene Kanal kürzt den Weg von der schottischen Westküste und den Hebriden zur Halbinsel Cowal und nach Glasgow um ca. 150 km ab. Dadurch muss das vor allem während der Wintermonate oft stürmische „Mull of Kintyre“ nicht umschifft werden. Früher war der Crinan Canal für die regionale Versorgung bedeutend und kommerziell wurden auf diesem Wasserweg meistens Salz und Whisky befördert. Heute wird er fast ausschliesslich nur noch von Segel- und Motoryachten benutzt. Spätestens nach der vierten oder fünften Schleuse müssen die Akkus der arbeitenden Crew durch ein „Lunch-Plättli“ wieder aufgeladen werden. Jeder, der schon an einem Segeltörn teilgenommen hat, kennt diesen beinahe schon nautischen Begriff. Es geht ganz einfach ums Essen: Trockenfleisch, Käse, Brot, ein bisschen Gemüse und Früchte (schon früher im Einsatz gegen Skorbut) Wasser, Bier und/oder Wein. Die Reihenfolge spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, hauptsächlich schön und liebevoll präsentiert und genügend von allem. Nach einer solchen Mahlzeit und der Aussicht auf einen weiteren einzigartigen Liegeplatz werden dann auch die verbleibenden Schleusen bis zum idyllischen Bellanoch Basin mit Elan bedient. Im „Skipper’ s Guide“ des Crinan Canal wird dieses Kleinod als Marina bezeichnet. De facto handelt es sich um die mir kleinste bekannte und schönste Anlegestelle, ausgestattet mit zwei gepflegten Duschräumen und eingebettet in paradiesischer Landschaft.

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Vom geschützten Crinan Canal zur Insel des Whiskys

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Schon am Vorabend freuten wir uns auf die prognostizierten 4-5 Beaufort aus westlicher Richtung. Nun steht nur noch eine Brücke und zwei zur Freude der Crew bediente Schleusen zwischen uns und dem lange herbeigesehnten Schlag zur „Insel Gottes“. Gigha heisst sie in Wirklichkeit; die Bezeichnung der Insel ist ursprünglich norwegisch und bedeutet so viel wie „gute und göttliche“ Insel. Die smaragdfarbenen Buchten sind in der Tat göttlich und man kommt sich für einen Abend lang in die Karibik versetzt vor. Und manch einer von uns würde jetzt liebend gerne seinen salzverkrusteten Haaren ein Bade gönnen. Nach dem zaghaften Eintauchen der Zehen wird jedoch blitzschnell klar, dass die Farbe des Wassers nicht unbedingt im Einklang mit dessen Temperatur stehen muss. Also gönnen wir uns eine lauwarme Dusche in der Nasszelle. Das nun weissliche und noch spritzwasserfeuchte Ölzeug baumelt im Salon und in den Kojen. Bald umgibt uns eine wohlige Wärme und aus der Kombüse steigt der Hauch knoblauchgedünsteter Garnelen empor.

Am nächsten Morgen brechen wir wieder frühzeitig auf, da der Wind noch ein bisschen auffrischen soll. Die Wolken liegen tief und von den sanft abfallenden Hügeln Gigha’s bläst uns bereits ein steifer Wind entgegen. Er hat jedoch auf Nordwest gedreht, sodass wir nach dem Passieren des Nordkaps der Insel unser nächstes Ziel Port Ellen auf Islay beinahe direkt auf Backbordbug anlaufen können. Im Sound of Jura kommt keine grosse See auf und auch von den oftmals unangenehmen Böen des Sound of Islay bleiben wir weitgehend verschont. Mit zügigen 7 bis 8 Knoten Fahrt nähern wir uns bald der ersten bekannten Whiskydestillerie von Ardbeg. In der Folge reihen sich Lagavulin und Laphroaig wie an einer Perlenschnur aufgezogen aneinander und spätestens jetzt wissen alle, dass wir im Land und auf der Insel des „uisge-beatha“, des rauchigen Lebenswassers, angekommen sind.

Die beiden südlichsten Hebriden-Inseln Jura und Islay bestechen durch ihre urtümliche und herbe Schönheit, wobei auf der eher wilderen und ungezähmten Insel Jura nur ca. 200 Menschen leben. Bekannt geworden ist Jura durch George Orwell, der im abgeschiedenen Norden der Insel sein Meisterwerk „1984“ zu Papier gebracht hatte. Islay hingegen war einst die wichtigste aller schottischen Inseln. Von hier aus herrschten die Chiefs von Clan Donald über ein Königreich, das nebst den Hebriden das gesamte westliche Hochland einschloss. Noch heute findet man auf der Insel Denkmäler, die vom frühen Christentum und selbst von früheren Zeiten Zeugnis ablegen. Heutzutage ist das wichtigste Gut Islay’ s der Torf. Diesem für die Whiskyherstellung so wichtigen Brennstoff (ca. ein Viertel der Insel ist damit bedeckt) verdankt die Insel ihre Bedeutung. Im Unterschied zum Torf, der auf dem Festland gestochen wird, setzt sich der auf Islay hauptsächlich aus zersetztem Heidekraut, Gräsern und Moosen zusammen. Die aus dem Mälzen und dem torfig-bräunlichen Inselwasser gewonnenen Whiskys haben daher einen ganz eigenen Geschmack und ein sehr spezifisches Aroma. Sie sind berühmt für ihre Rauchigkeit und werden weltweit exportiert. Dabei ist Port Ellen als Fähr- und Ausschiffungshafen von zentraler Bedeutung. Die Ortsbezeichnung kommt übrigens aus dem Gälischen und bedeutet übersetzt schlicht und einfach „Hafen der Insel“.

Der nachfolgende Tag gilt der Erkundung der Insel und beginnt mit dem Besuch der „Port Ellen Maltings“. In Port Ellen selbst wird zwar kein Whisky mehr gebrannt, dennoch produziert diese Firma nach wie vor den wichtigsten Bestandteil fast aller Islay-Whiskys, nämlich das Malz. Nach einem abgerundeten und umfassenden Einblick in diese wichtige Vorproduktion geht’s weiter zur nächst gelegenen Laphroaig Destillerie. Diese erreicht man nach einem ca. 30-minütigen Fussmarsch. Der Weg führt über eine saftig grüne und leicht hügelige Landschaft an eine einsame und malerische Bucht. Auch hier sind wir überwältigt von der uns entgegengebrachten Gastfreundschaft und dem unermüdlichen Versuch der vortragenden Dame, die es leicht gestikulierend versteht, uns in ihrem mehr oder minder verständlichen „Gaelic-English“ in die Geheimnisse der Whiskybraukunst einzuweihen ... . Auf jeden Fall verlassen wir nach dem Nosing, Tasting und Shopping beglückt diese erste Stätte und fühlen uns jetzt auch berufen, zu den verschiedensten Geschmäcken und Qualitätsstufen Stellung beziehen zu können. Wir „Seebuben und -mädchen,“ sind uns einig: Eine Prise Meer, also Salz, Jod und Seetang angereichert und gepaart mit einem rauchig-torfigen Geschmack. So soll er sein.

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Der kurze Weg um das Mull of Kintyre

Aufgrund der Gezeiten verlassen wir am darauffolgenden Tag den schwimmenden Anlegesteg Port Ellen’s kurz vor 9 Uhr am Morgen. Die Gezeiten in diesem Segelgebiet sollte man nicht vernachlässigen. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut kann gut und gerne 3,5 Meter betragen, dabei muss man vor allem die Strömungen zwischen den Inseln und deren Kaps beachten. So gilt es auch zum richtigen Zeitpunkt, das berüchtigte und von Paul McCartney besungene „Mull of Kintyre“ zu umschiffen. Was bei ruhigem Wetter problemlos gelingt, kann bei starkem Gegenwind und einer aufgewühlten See zu einem „ruppigen“ und langen Erlebnis werden. Am besagten Tag haben die Windgötter frei genommen. Eine ruhige und ölige See breitet sich vor uns aus. Kurz nach dem Verlassen der Bucht taucht wieder einmal ein Seehund neben uns auf. Er geniesst unbekümmert die morgendlichen Sonnenstrahlen, wirft uns einen spitzbübischen Blick zu und verabschiedet sich langsam auf einer der Wellen unseres Kielwassers. Der Autopilot verrichtet seine Aufgabe und hält Kurs. Mann/Frau ist beschäftigt mit einem Buch, döst leise vor sich hin oder kämpft gegen den Schlaf als es auf einmal ertönt „Wal, da bläst er, drei Strich Steuerbord“. Und in der Tat erspähen wir in einer Entfernung von geschätzten 700 Metern einen Wal, der in der Gegenrichtung am Rande der Schifffahrtsstrasse zwischen Nordirland und unserer Wenigkeit unterwegs ist. So wie es aussieht hat er einen Kurs in den nördlichen Atlantik eingeschlagen. Bald darauf schiebt uns ein kräftiger Strom ums Mull of Kintyre. Unsere Fahrt über Grund klettert laut GPS zuweilen bis auf 10 Knoten. Und was noch viel schöner ist: Nur wenige Minuten nach der Umrundung des Kaps können wir Segel setzen und müssen diese erst kurz vor dem Anlegen in Campbeltown wieder bergen. Beim Apéro in einem der Pubs lassen wir noch einmal die spektakulären Landschaften und unsere Begegnung mit dem Wal aufleben. Zum Dinner treffen wir uns beim Chinesen.

Campbeltown war im ausgehenden 19. Jahrhundert noch das Zentrum der Whisky-Herstellung. Heute existieren hier nur noch zwei Brennereien. Dabei ist der Besuch der familiären Springbank Distillery für mich persönlich ein Muss. Springbank befindet sich im Zentrum des Städtchens und auch hier wird nach alter Tradition ein Malt Whisky erster Güte hergestellt.

Der letzte Segeltag beschert uns nur eine leichte Brise. Der Kurs ist schnell und einfach abgesteckt. Zuerst Richtung Ost entlang der Südküste Arrans und nach knappen 20 Seemeilen nach Nord. Je nach Situation und Zeit passieren wir die bezaubernde Insel Holy auf der Backbord- oder Steuerbordseite. Nach einer Stunde des „Dümpelns“ werden wir auf einmal in Nebel gehüllt und der Wind schläft gänzlich ein. Wir halten jetzt einen ESE-Kurs, damit wir genügend Distanz zur Insel haben. Nach einer weiteren knappen Stunde klart es vollends auf. Der Blick auf eine imposante Steilküste und auf blühende Schafweiden wird freigegeben. Bald setzen wir wieder Segel und bei wenig mehr als zwei Beaufort aus SE (Südost) finden wir langsam nach Largs zurück.

Peter Zimmermann

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